Wie Sie IT-Probleme erkennen, ohne Techniker zu sein


Was wäre, wenn Ihre IT längst ein Problem ist – und Sie merken es nicht?
Diese Frage stelle ich regelmäßig, wenn ich mit Geschäftsführern mittelständischer Unternehmen spreche. Und sie trifft fast immer einen wunden Punkt. Denn IT-Probleme tauchen selten als laute Störung auf. Viel häufiger wirken sie still – in Form von strategischer Trägheit, Datenchaos oder Mitarbeiterfrust. Und genau das macht sie so gefährlich.
Im ersten Teil dieser Reihe habe ich beschrieben, warum viele Geschäftsführer eine Art „IT-Lücke im Kopf“ haben: Sie wissen, dass IT wichtig ist, aber sie haben kein Werkzeug, sie einzuordnen. In diesem Artikel geht es darum, wie Sie diese Lücke schließen – indem Sie lernen, IT-Probleme rechtzeitig zu erkennen, ohne sich mit Technik zu beschäftigen.
„Unsere IT läuft doch“ – das gefährlichste Signal von allen
Ich bin Geschäftsführer eines IT-Unternehmens. Und ich staune immer wieder, wie viele Geschäftsführer mit gutem Bauchgefühl führen – und dennoch die Wirkung ihrer IT völlig falsch einschätzen.
Viele sagen mir: „Wir haben keine IT-Probleme – die Technik läuft stabil.“ Ich höre diesen Satz oft – meist gefolgt von Aussagen wie:
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„Die Server sind stabil.“
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„Es gab keine Ausfälle.“
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„Der IT-Dienstleister sagt, alles ist in Ordnung.“
Doch das ist zu kurz gedacht. Denn eine IT, die funktioniert, ist nicht automatisch eine IT, die Ihrem Unternehmen nutzt.
Die Bitkom-Studien bestätigen dieses Phänomen regelmäßig: Über 60 % der mittelständischen Unternehmen schätzen ihre digitale Reife deutlich höher ein, als sie tatsächlich ist.
Konkret: Ein Geschäftsführer erzählte mir, sie hätten ein leistungsfähiges ERP-System. Auf Nachfrage stellte sich heraus: Kein Mitarbeiter nutzt es zur Projektkalkulation – weil die Oberfläche zu kompliziert ist. Stattdessen pflegen alle ihre eigenen Excel-Dateien. Offiziell ist alles in Ordnung. Aber tatsächlich hat das Unternehmen keinen gemeinsamen Blick auf Kosten und Margen.
Fünf stille Warnzeichen – und was sie bedeuten
1. Ihre Strategie scheitert regelmäßig an der IT
Wenn neue Angebote, digitale Vertriebswege oder Prozessverbesserungen immer wieder mit dem Satz enden „Das ist technisch zu aufwendig“ – dann hat Ihre IT ihre unternehmerische Rolle verloren.
➡ Beispiel: Sie wollen ein neues Abo-Modell einführen, doch das bestehende System lässt sich dafür nicht anpassen. Ergebnis: Idee wird verschoben, Marktchance verpasst.
2. Führungskräfte treffen Entscheidungen nach Bauchgefühl – weil sie den Zahlen nicht trauen
Wenn KPI-Reports unterschiedlich ausfallen, wenn jeder Bereich eigene Zahlen liefert, ist Ihre Datenlage nicht belastbar.
➡ Beispiel: Im Monatsmeeting wird diskutiert, ob das Produkt X profitabel ist. Drei Führungskräfte, drei Datenquellen, drei Versionen der Wahrheit.
3. Prozesse werden trotz Digitalisierung komplizierter
Viele Tools werden eingeführt, ohne bestehende Abläufe zu hinterfragen bzw. zu vereinfachen. Das Ergebnis: Mitarbeiter jonglieren mit fünf Anwendungen – und müssen trotzdem jeden zweiten Schritt manuell machen.
➡ Beispiel: Die Kundenkommunikation läuft über CRM, Ticketsystem, E-Mail und Teams – aber kein System kennt den Gesamtverlauf.
4. Ihre Organisation reagiert zu langsam auf Veränderungen
Wenn Ihre Systeme keine schnellen Anpassungen erlauben, entsteht Trägheit. Digitalisierung bedeutet eben nicht „Tool X einführen“ – sondern Beweglichkeit schaffen.
➡ Beispiel: Der Onlinevertrieb braucht eine neue Schnittstelle zum Lager. Das Projekt dauert sechs Monate – weil die Infrastruktur veraltet ist.
5. Sie spüren selbst Unsicherheit – aber keiner liefert Ihnen verlässliche Antworten
Wenn Sie IT-Entscheidungen auf Basis von Bauchgefühl oder widersprüchlichen Aussagen treffen – ist das ein strategisches Risiko.
➡ Beispiel: Sie fragen, was ein neuer Standort digital braucht – und bekommen fünf verschiedene Meinungen. Keine davon ist fundiert.
✌ Was Sie tun können – ohne IT-Experte zu sein
Sie müssen nicht wissen, wie Software programmiert wird. Aber Sie müssen beurteilen können, ob Ihre IT Ihrer Strategie dient – oder sie behindert.
Ein bewährter Ansatz: Drei zentrale Fragen, die Sie mit Ihrem Führungsteam besprechen sollten. Und – ganz wichtig – was Sie mit den Antworten tun.
1. Wie gut unterstützt unsere IT unsere Innovationsfähigkeit?
➡ Praxisbeispiel: Sie möchten eine neue Dienstleistung anbieten – doch das bestehende System kann sie nicht abbilden. Anpassung? Nicht vorgesehen. Einbindung in die Website? Nur über Umwege. Die Idee wird zurückgestellt.
Was Sie tun können:
Organisieren Sie einen Workshop mit Vertriebs- und Produktverantwortlichen, unter Einbindung Ihrer IT-Leitung oder eines erfahrenen Prozessberaters.
Fragen Sie konkret:
- Welche Ideen wurden in den letzten 12 Monaten nicht umgesetzt – wegen IT-Hürden?
- Wie schnell können wir ein neues Angebot heute technisch bereitstellen?
Und dann?
Wenn Sie hier Schwächen erkennen:
Beauftragen Sie eine externe IT-Wirkungsanalyse. Ziel: ein klares Bild, welche Innovationsideen systemisch realisierbar sind – und welche nicht. Das ist kein Technik-, sondern ein Strategieprojekt.
2. Wie transparent ist unsere Datenlage für strategische Entscheidungen?
➡ Praxisbeispiel: Sie fragen im Führungskreis nach dem Deckungsbeitrag im Projektgeschäft – und erhalten widersprüchliche Antworten.
Was Sie tun können:
Führen Sie ein „Daten-Review“ mit dem Controlling durch. Bitten Sie Ihr Team, an einem realen Beispiel (z. B. Deckungsbeitrag, Kundenrentabilität, Auftragslaufzeit) darzulegen:
- Woher stammen die Zahlen?
- Wie aktuell sind sie?
- Wer pflegt sie?
Und dann?
Wenn die Datenlage diffus ist:
Beauftragen Sie eine Datenverantwortungsklärung: Wer ist wofür zuständig? Welche Quelle ist führend? Was fehlt technisch? Damit starten Sie einen strukturierten Weg zur „Single Source of Truth“.
3. Wie schnell können wir auf Marktveränderungen reagieren – systemisch?
➡ Praxisbeispiel: Ein Mitbewerber geht mit einem neuen digitalen Service live – Ihre Idee dafür liegt seit Monaten in der IT-Pipeline. Warum?
Was Sie tun können:
Führen Sie eine kurze Prozessanalyse mit dem Projektverantwortlichen sowie der IT-Leitung durch:
- Welche Schritte wären notwendig gewesen?
- Was hat gebremst?
- Wie können wir Systembarrieren abbauen?
- ✋ Tipp: Beziehen Sie auch externe Dienstleister kritisch ein. Und fragen Sie:
Welche Anforderungen sind wirklich technisch bedingt – und wo wurde es einfach nicht entschieden?
Und dann?
Wenn Anpassungen regelmäßig scheitern oder dauern:
Lassen Sie ein flexibles IT-Zielbild entwickeln. Wichtig: Nicht nur technisch – sondern aus Sicht der strategischen Handlungsfähigkeit. Das wird zur Roadmap für Ihre IT-Zukunft.
❗ Extra-Tipp: Machen Sie jährlich eine digitale Selbstbewertung
In „Digitaler Wandel in der Praxis“ wird empfohlen, die digitale Wirkung Ihrer IT regelmäßig intern zu überprüfen.
Diese Selbstbewertung könnten Sie mit Ihrem Führungsteam einmal jährlich als strukturiertes Format etablieren – z. B. als „Digitales Wirkungsforum“.
✨ Mein Fazit
Viele Geschäftsführer glauben, sie müssten IT verstehen, um sie steuern zu können. Aber das stimmt nicht.
Was Sie brauchen, ist ein unternehmerischer IT-Radar. Und das bedeutet: Wirkung beobachten, Fragen stellen, Konsequenzen ziehen.
Wenn Sie anfangen, IT so zu denken, wie Sie über Vertrieb oder Finanzen nachdenken – dann können Sie souverän entscheiden. Ohne Technik-Details. Aber mit Wirkung.
Bauen Sie sich ein einfaches Frühwarnsystem. Sprechen Sie regelmäßig mit Ihren Teams über IT-Wirkung – nicht über Technik. Und nutzen Sie die oben genannten Fragen als festen Bestandteil Ihrer Strategiearbeit.