Die IT-Lücke im Kopf des Geschäftsführers


Viele mittelständische Geschäftsführer treffen IT-Entscheidungen ohne ein eigenes strategisches Raster – und merken es oft nicht einmal. Sie verlassen sich auf ihren Bauch oder auf externe Berater, weil ihnen ein innerer Kompass fehlt, der zwischen Chancen und Risiken unterscheiden kann. Genau das macht IT zu einer Blackbox – und verhindert, dass Digitalisierung zum echten Wettbewerbsvorteil wird. In diesem Artikel zeige ich, wie diese IT-Lücke entsteht, warum sie gefährlich ist – und wie Sie sie schließen können. Mit einem einfachen Entscheidungsmuster, das Sie direkt anwenden können.
Wenn Nähe Angst macht
Vor einiger Zeit sagte mir ein Geschäftsführer trocken: „IT ist für mich wie ein schwarzes Loch. Ich weiß, dass da Energie drinsteckt – aber wehe, ich gehe zu nah ran.“ Wir lachten – aber sein Blick blieb ernst. Und leider ist diese Haltung kein Einzelfall.
Viele Unternehmer denken so. Sie führen souverän bei Personal, Finanzen oder Vertrieb. Doch sobald es um Digitalisierung, Cloud oder IT-Sicherheit geht, entsteht eine Lücke. Keine Wissenslücke – sondern eine Entscheidungslücke.
Ein anderer Geschäftsführer, mit dem ich zusammenarbeite, war lange Zeit „Vermeider“. IT war für ihn ein notwendiges Übel. Doch als seine Vertriebsleiterin vorschlug, eine alte CRM-Lösung durch ein cloudbasiertes System zu ersetzen, änderte sich etwas. Nicht wegen der Technik – sondern weil er die Frage stellte: "Bringt uns das wirklich näher an den Kunden?" Heute ist sein Leitsatz: "Ich muss nicht verstehen, wie es funktioniert. Aber ich muss verstehen, wozu es gut ist."
Wie die Lücke entsteht – strukturell und psychologisch
Die IT-Lücke entsteht nicht, weil Geschäftsführer nicht intelligent genug wären – sondern weil IT jahrzehntelang als Supportfunktion betrachtet wurde. Digitalisierung hat sie jedoch zu einem strategischen Steuerungsinstrument gemacht. Viele Geschäftsführer konnten diese Bedeutungsverschiebung nicht mitgehen, weil:
- IT oft in einer Sprache spricht, die sie nicht verstehen.
- Erfolg und Wirkung nicht direkt sichtbar sind.
- negative Erfahrungen mit Projekten zu Rückzug führen.
- sie im Alltag keine Zeit finden, sich über Wirkzusammenhänge Gedanken zu machen.
Kombiniert führt das zu typischen Rollenbildern:
- Der Vermeider: hält sich raus – oft aus Angst, etwas falsch zu machen.
- Der Delegierer: überlässt alles der IT-Abteilung – und verliert den Überblick.
- Der Aktionist: startet ständig neue Projekte – ohne klares Ziel oder Nutzen.
Alle drei vermeiden echte Verantwortung. Und sie alle übersehen: Wer IT nicht strategisch mitdenkt, überlässt die Wirkung dem Zufall.
Diese Entscheidungslücke hat einen Preis
- Aktionismus produziert Technik ohne Wirkung.
- Aufschieben zementiert den Stillstand.
- Beides macht das Unternehmen angreifbar.
Ein Beispiel: Ein Unternehmen investierte über 300.000 Euro in eine neue ERP-Lösung – ohne vorher zu definieren, welchen konkreten Mehrwert sie bringen soll. Ein Jahr später war das System eingeführt – aber niemand arbeitete damit. Die Geschäftsführung hatte delegiert, gehofft – und den strategischen Rahmen nie selbst mitgestaltet.
Warum IT schwer greifbar ist
IT ist kein klassischer Geschäftsbereich. Sie ist abstrakt, technisch und oft unsichtbar. Während man bei Marketing oder Vertrieb klare Zahlen sieht, bleibt der IT-Nutzen diffus. Zudem sprechen IT-Verantwortliche oft eine andere Sprache. Das schafft Unsicherheit.
Viele Geschäftsführer empfinden daher ein latentes Unwohlsein. Dieses Unwohlsein ist kein Zeichen von Schwäche – sondern ein Hinweis, dass ein Denkmodell fehlt. IT ohne strategische Führung ist wie ein Navigationssystem ohne Zieladresse: Man fährt – aber man kommt nicht an.
Was fehlt, ist kein Technikverständnis. Was fehlt, ist ein einfaches Raster für bessere Entscheidungen. Genau das beschreibt Driving Digital Strategy: Es geht nicht um mehr Tools, sondern um ein strategisches Denken, das IT als Teil der Geschäftsführung versteht.
✌ Ein Entscheidungsmuster für IT-Projekte
Drei Fragen helfen, IT-Vorhaben strategisch einzuordnen:
- Welches Problem lösen wir damit – konkret und aus Sicht des Kunden oder Mitarbeiters?
- Wie zahlt das auf unsere strategischen Ziele oder unser Geschäftsmodell ein?
- Wer trägt intern die Verantwortung dafür, dass der Nutzen sichtbar wird?
Dieses Muster ersetzt Bauchgefühl durch Struktur. Und es hilft Ihnen, Projekte zu priorisieren – oder zu stoppen.
Haben Sie die Lücke geschlossen❓
➡ Hier ein paar Fragen zum Selbstcheck:
• Habe ich in letzter Zeit eine IT-Initiative aktiv hinterfragt oder selbst priorisiert?
• Gibt es in meinem Unternehmen eine dokumentierte IT-Strategie, die ich kenne – und unterstütze?
• Weiß ich, worin aktuell die drei größten IT-Risiken meines Unternehmens liegen?
• Finde ich regelmäßig Zeit für Gespräche mit meiner IT-Leitung – nicht über Technik, sondern über Wirkung?
Mut zur Frage!
Die gute Nachricht: Niemand erwartet von einem Geschäftsführer technisches Detailwissen. Aber strategisches Interesse wird erwartet. Wer IT als Wertschöpfungshebel versteht, gewinnt Klarheit – und Kontrolle.
Getting Naked beschreibt genau diesen Punkt: Die Bereitschaft, sich als Entscheider verletzlich zu zeigen – und trotzdem zu führen. Wer sagt: „Ich verstehe es nicht, aber ich will es verstehen“, öffnet den Raum für echte Lösungen.
✋ Fünf Impulse für Geschäftsführer
- Verabschieden Sie sich vom Technik-Fokus – IT ist ein strategisches Führungsinstrument.
- Wenden Sie das vorgestellte Entscheidungsmuster an – und machen Sie es zur Routine.
- Erkennen Sie: Kein Projekt ist besser als ein schlechtes Projekt.
- Etablieren Sie regelmäßige Gespräche zwischen Geschäftsführung und IT – über Wirkung, nicht über Tools.
- Sehen Sie IT nicht als Kostenstelle, sondern als Möglichmacher – für Kundennähe, Resilienz und Wachstum.
Was kommt als nächstes?
In den kommenden Artikeln dieser Serie geht es um die konkreten Denkfehler, die viele IT-Investitionen scheitern lassen. Wir schauen uns typische Fallen an – und zeigen, wie Sie souverän entscheiden können, ohne selbst zum IT-Experten zu werden.
Sie werden lernen, wie Sie Fehlentscheidungen vermeiden – und wie Sie ein System aufbauen, mit dem jede IT-Investition ihre Wirkung entfaltet.
✨ Mein Fazit: Die IT-Lücke im Kopf vieler Geschäftsführer ist kein individuelles Versagen – sie ist strukturell. Aber sie ist überwindbar. Wer bereit ist, Fragen zu stellen, statt Antworten vorzugeben, schafft Klarheit. Und wer Klarheit gewinnt, entscheidet besser.
Wenn Sie sich in diesem Artikel wiederfinden, haben Sie den ersten Schritt getan. Sie haben ein Problem erkannt – und sind bereit, es systematisch zu lösen.
In diesem Sinne: Willkommen in der Serie „IT-Entscheiderwissen für Geschäftsführer“. Sie ist für Sie gemacht.
Im nächsten Beitrag erfahren Sie, wie Sie Denkfehler erkennen, bevor sie teuer werden – und wie Sie mit einfachen Fragen souverän entscheiden.
Bleiben Sie dran. Es lohnt sich – für Sie, Ihre IT und Ihr Unternehmen.